Hyperthermie bietet vielfältige Anwendungsmöglichkeiten
Bluthochdruck (Hypertonie)
In einer als Dissertation veröffentlichten, inzwischen schon älteren Studie der Humboldt-Universität Berlin 13 konnte eine deutliche Senkung des Blutdrucks bei einer großen Mehrzahl von Patienten mit Bluthochdruck nachgewiesen werden, die mit milder Hyperthermie behandelt wurden. Diese Wirkung trat teilweise bereits nach der ersten Behandlung ein, die Mehrzahl benötigte jedoch mehrere Sitzungen. Der positive Effekt war bei der großen Mehrheit der Patienten auch mehrere Wochen nach Ende der Behandlungen noch nachweisbar. Nach Ende der Therapie kam es längerfristig zu einem leichten Wiederansteigen des Blutdrucks, jedoch blieb dieser insgesamt tiefer als vor der Behandlung. Bei circa 12 % der untersuchten Patienten konnte weder in der ersten Behandlung noch bei den Folgeterminen eine statistisch signifikante Senkung des Blutdrucks nachgewiesen werden.
Wissenschaftler, die sich mit dieser Thematik eingehend beschäftigt haben, vermuten, dass die Hyperthermiebehandlung eine Erweiterung der Blutgefäße bewirkt und eine Art Trainingseffekt auf diese und das Zentrum zur Temperaturregulation im Hypothalamus hat. Zusätzlich beobachteten sie, dass es dem Körper im Verlauf der Behandlungsserie zunehmend besser gelang, die Gefäße weitzustellen und Körperwärme besser abzugeben. In nachfolgenden Behandlungseinheiten nahm die erreichte Körpertemperatur trotz gleicher zugeführter Bestrahlungswärme gegenüber der ersten Behandlungseinheit daher ab. 8
Eine gewisse Regelmäßigkeit der Therapie und gegebenenfalls auch ein „Probelauf“, ob im individuellen Fall ein positiver Effekt erzielbar ist, erscheint daher sinnvoll. 8
Eine Metaanalyse der veröffentlichten Literatur zur Wirkung von Infrarotbestrahlung auf Risikofaktoren des Herz-Kreislaufsystems fand eine nur begrenzte Anzahl an Forschungsarbeiten zu diesem Thema, die jedoch positive Effekte auf den Blutdruck und auf eine bestehende Herzinsuffizienz darlegen konnten. 14 Ob Ganzkörperhyperthermie genauso wirksam ist, wie eine Veränderung des Lebensstils mit gesunder Ernährung und körperlicher Aktivität, vermag auf Basis der vorliegenden Daten vermutlich niemand zu sagen. Sie als zusätzliches Element im Sinne einer kombinierten Interventionsstrategie zu nutzen, erscheint jedoch allemal sinnvoll.
Hyperthermie bei Depression?
Eine Studie aus den Vereinigten Staaten aus dem Jahr 2016 hat positive Effekte einer milden Hyperthermiebehandlung bei schweren Depressionen gefunden. 15 Gerade im Hinblick darauf, dass die zur Verfügung stehenden medikamentösen Behandlungen bei schwerer Depression noch immer nicht optimal und vielfach mit unerwünschten Nebenwirkungen behaftet sind, erscheint die therapeutische Hyperthermie eine interessante Ergänzung der Therapieoptionen darzustellen. Letztlich unklar in der Studie blieb jedoch, ob die erzielten Erfolge nicht durch andere, mit der Therapie in Verbindung stehende Effekte (z. B. intensivere Beschäftigung mit den Patienten etc.) zu erklären wären. Die Berliner Charité führt daher aktuell zu dieser Fragestellung eine weitere Studie mit ganz ähnlichen Ansätzen durch, will jedoch deutlich mehr Patienten untersuchen und so zu aussagekräftigeren Ergebnissen kommen. 16 Zum Zeitpunkt der Publikation dieses Artikels liegen die Ergebnisse dieser Studie leider noch nicht vor.
Die Wirksamkeit von Lichttherapie bei saisonaler Depression ist seit Jahrzehnten bekannt 17 und immer mehr Studien belegen auch eine positive Wirkung bei nicht-saisonaler Depression. 18 Eine positive Wirkung intensive Infrarot-A-Bestrahlung, wie sie bei der milden Ganzkörperhyperthermie zum Einsatz kommt, erscheint vor diesem Hintergrund durchaus plausibel. Solange man diese als Ergänzung und nicht als alleinige Alternative zur konventionellen Therapie einsetzt, ist mit negativen Konsequenzen kaum zu rechnen.
Hyperthermie-Einsatz bei Spondyloarthritis
Bei den Erkrankungen aus der Gruppe der Spondyloarthritiden handelt es sich um entzündliche Erkrankungen im Bereich der Gelenke der Wirbelsäule und der Iliosakralgelenke. Hierzu zählen die Spondylitis ankylosans (auch als Morbus Bechterew bekannt), die mit der Schuppenflechte (Psoriasis) assoziierte Arthritis und weitere Arthritisformen, die im Zusammenhang mit entzündlichen Darmerkrankungen auftreten. Durch die mit dieser Erkrankung verbundenen starken Schmerzen bei Bewegung sind viele Betroffene in ihrer Aktivität und dadurch in ihrer Lebensqualität stark beeinträchtigt.
In einer 2013 veröffentlichten Studie 19, wurde die Wirksamkeit von milder Ganzkörperhyperthermie auf Patienten untersucht, die sich in einer multimodalen Rehabilitation aufgrund ihrer Spondyloarthritis befanden. Die Patienten wurden dabei entsprechend ihrer Präferenz in drei Gruppen aufgeteilt, von denen die erste zusätzlich zu den normalen Therapien im Rahmen der Rehabilitation zweimal wöchentlich mit milder Hyperthermie behandelt wurde, die zweite Gruppe zusätzlich einmal wöchentlich während die dritte Gruppe nur die normalen Therapien aus dem gewöhnlichen Rehabilitationsprogramm erhielt. Dabei zeigten sich bei den Patienten, die zusätzlich zweimal wöchentlich Hyperthermiebehandlungen bekamen, die stärksten positiven Effekte. Aber auch bei der Gruppe mit nur einmal wöchentlicher Wärmebehandlung war in Bezug auf die Verbesserung der Funktionsfähigkeit und die Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule – quantifiziert durch Schober-Test 20 – eine signifikante Verbesserung im Vergleich zu der Gruppe zu beobachten, die nur die normalen Rehabilitationsbehandlungen bekam. Außer einem leichten Schwindelgefühl während der unmittelbaren Hyperthermiebehandlung bei einigen wenigen Patienten, welches danach von selbst wieder verschwand, waren keine negativen Wirkungen oder Folgen beobachtet worden.
Wenn keine Kontraindikationen wie schwere Herz-Kreislauferkrankungen oder systemische Entzündungszustände vorliegen, dann spricht kaum etwas dagegen, bei Vorliegen einer Spondyloarthritis zusätzlich zur sonstigen Therapie eine milde Ganzkörperhyperthermie zur weiteren Linderung der Beschwerden zu versuchen.
Einsatz von Hyperthermie bei Fibromyalgiesyndrom (FMS)
Das Fibromyalgiesyndrom bewirkt bei den betroffenen Patienten ausgebreitete Schmerzen in verschiedenen Körperregionen – vor allem im Bereich der Muskulatur – in Verbindung mit Schlafstörungen und vermehrter Erschöpfung. Zu diesen Kernsymptomen kommen eine Reihe von Begleitsymptomen wie Morgensteifigkeit und Konzentrationsstörungen. Viele Patienten sind durch die anhaltenden Schmerzen zudem in ihrem psychischen Befinden stark eingeschränkt und zum Teil sogar depressiv.
In einer 2013 veröffentlichten Studie mit insgesamt 67 Patienten mit Fibromyalgiesyndrom konnte durch die ein- oder zweimal wöchentliche Anwendung von Hyperthermie über drei Wochen hinweg eine signifikante Verbesserung der Schmerzen erreicht werden. 21 Die besten Resultate erzielte hierbei die Gruppe mit einmal wöchentlicher Behandlung. Besonders erfreulich war, dass diese positiven Effekte auch 6 Monate nach der Rehabilitation weiterhin nachweisbar waren. Zusätzlich fanden die Forscher einen tendenziell positiven Effekt auf die häufig vorhandene Depressivität und die allgemeine Lebensqualität der Betroffenen, was vermutlich auf das geringere Schmerzniveau zurückzuführen sein dürfte.
Diese positiven Ergebnisse werden von einer Fallbeschreibung bestätigt, die unabhängig davon im gleichen Jahr in der Schweizerischen Zeitschrift für Ganzheitsmedizin veröffentlicht wurde.
Bei einem seit mehreren Jahren durch das Fibromyalgiesyndrom zu 100 % arbeitsunfähigem, 49-jährigem Patienten konnte durch die Kombination von moderater Hyperthermie (also höhere Temperaturen als bei der oben erwähnten Studie, bei der nur eine milde Hyperthermie zum Einsatz kam) mit phytotherapeutischen Maßnahmen und der Gabe von Probiotika (bei Verdacht auf eine Veränderung der Darmflora) und der Sublementation mit 2.000 IE Vitamin D täglich (aufgrund eines deutlich zu niedrigen Blutspiegels), konnte ein durchschlagender Erfolg erzielt werden. Nach zwei Serien zu je drei Hyperthermiebehandlungen in Verbindung mit den anderen erwähnten Maßnahmen konnte der Patient seine Arbeit wieder aufnehmen. 22
Linderung des Raynaud-Syndroms durch Hyperthermie
Das Raynaud-Syndrom, benannt nach dem französischen Arzt und Erstbeschreiber Maurice Raynaud (1834–1881), ist durch eine anfallsweise, auf beiden Körperseiten zugleich auftretende, krampfartige Verengung der Blutgefäße in den Fingern charakterisiert. Mitunter sind auch andere exponierte Körperstellen wie Nase oder Ohren betroffen. Diese sogenannten Vasospasmen lassen die Finger blass und kalt werden, im Extremfall kann es sogar zum Absterben des nicht mehr durchbluteten Gewebes kommen, also zur Bildung sogenannter Nekrosen.
Zahlen für Deutschland liegen nicht vor, in den Vereinigten Staaten schätzt man, dass etwa 5–10 % der Bevölkerung darunter leiden, wobei Frauen fünfmal häufiger betroffen sind als Männer. Man beobachtet auch einen Zusammenhang zu bestimmten Erkrankungen aus dem rheumatischen Formenkreis, insbesondere Kollagenosen, also Erkrankungen des Bindegewebes. Zu diesen gehören neben der Sklerodermie unter anderem auch der systemische Lupus erythematodes (SLE), das Sjögren Syndrom und die Dermatomyositis.
Nicht unerwartet zeigt Hyperthermie einen deutlich positiven Effekt auf die Durchblutung beim Raynaud-Syndrom, führt Wärme doch bekanntermaßen zu einer Erweiterung der Blutgefäße in der Haut. Dies wurde in verschiedenen Studien auch wissenschaftlich untersucht und bestätigt. 8 23 Die Forscher fanden bei Raynaud-Betroffenen mit Sklerodermie neben der Verbesserung der Beschwerden im akuten Zustand eine unerwartet langanhaltende Besserung betroffener Partien, die mit der direkten Erwärmung nicht zu erklären war. Ein nachhaltiger, positiver Effekt auf das pathophysiologische Geschehen von Patienten mit Raynaud-Syndrom ist daher durchaus möglich. 8
Lokale Behandlung mit Infrarot-A-Strahlung und Wärme
Manchmal geht es nicht um die Behandlung des gesamten Körpers, sondern das Zielgebiet ist vergleichsweise klein und klar begrenzt. Beispiele hierfür sind Schmerzen in einem Gelenk oder einer bestimmten Muskelgruppe oder die Behandlung einer Wunde.
Die positive Wirkung von Wärme bei verspannten Muskeln ist hinlänglich bekannt und entsprechende Salben und Pflaster bekommt man in jeder Apotheke. Die meisten dieser Produkte erzeugen das wärmende Gefühl durch eine Reizung der Haut, was wiederum eine stärkere Durchblutung zur Folge hat. Eine Infrarot-Bestrahlung kann die gleiche Wärme erzeugen, vermeidet jedoch die chemischen Reizstoffe. Insbesondere für Patienten, die auf diese sehr empfindlich reagieren, kann dies eine gute Alternative sein.
Auch in der Wundbehandlung hat Wärme positive Effekte. Zu diesem Ergebnis kommt eine systemische Literaturrecherche. 24 In den verschiedenen Studien konnten dabei unter dem Einfluss von Wärmebehandlung eine deutliche Verminderung der Schmerzen sowie ein geringerer Bedarf für Schmerzmedikamente gezeigt werden. Außerdem wurden eine geringere Bildung von Wundsekret und weniger Entzündungen beobachtet . 25
Eine große Studie mit mehr als 100 Patienten an der Universitätsklinik Heidelberg zeigte eine deutlich verbesserte Wundheilung bei chirurgischen Patienten, wenn die Wunden ab dem zweiten postoperativen Tag mit Infrarot-A-Strahlung behandelt wurden. 26