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Biogene Amine-Intoleranz erklärt

Manchmal kommt es bei einer Histaminintoleranz auch zu einer Unverträglichkeit gegenüber anderen biogenen Aminen. Dies merken Betroffene oftmals daran, dass die histaminarme Ernährung zwar Symptome verbessert, aber trotz angepasster histaminarmer Diät allergische Symptome ähnlich denen der Histaminintoleranz auftreten. Wenn weder Allergien noch weitere Intoleranzen bekannt sind, dann könnten als Auslöser auch andere biogene Amine in Frage kommen.

Bei einer Biogene-Amine-Intoleranz kommt es zu einer Unverträglichkeit gegenüber anderen biogenen Aminen, wie Tyramin, Putrescin und z. B. auch Spermin und Spermidin. Sind diese in größeren Mengen in der Nahrung enthalten, können sie ähnliche Symptome wie bei der Histaminintoleranz auslösen bzw. diese verstärken.1,2

Dieser Beitrag behandelt ein Gesundheitsthema. Es ist wichtig, dass du deine Symptome durch medizinisches Fachpersonal untersuchen und behandeln lässt. Dieser Artikel kann keine Betreuung und Beratung durch Fachpersonal ersetzen und möchte es auch nicht.

Was sind biogene Amine?

Biogene Amine sind eine Gruppe von Stoffen, die beim Ab- bzw. Umbau von Aminosäuren entstehen. Von diesen ist Histamin zwar in Bezug auf die Unverträglichkeit der wichtigste, bei weitem jedoch nicht der einzige Stoff. Viele Hormone und auch Botenstoffe des Nervensystems, zum Beispiel das Serotonin (ein wichtiger Botenstoff im Gehirn) gehören ebenfalls zu den biogenen Aminen.3

Biogene Amine benötigen wir zum Überleben. Anders als bei Vitaminen kann der Körper diese aus Aminosäuren selbst herstellen und auch wenn diese erst teilweise erforscht sind, so ist klar, dass sie wichtige Aufgaben erfüllen. Spermidin, ein weiteres biogenes Amin, wird zum Beispiel zurzeit daraufhin untersucht, ob es positive Wirkungen bei gewissen Formen von Demenz hat.4

Gibt es biogene Amine-Intoleranz als unabhängige Erkrankung?

In der Regel entwickeln Betroffene die biogene Amin-Intoleranz als Teil einer Histaminintoleranz. Es scheint jedoch so zu sein, dass gewisse  Menschen auf bestimmte biogene Amine deutlich empfindlicher reagieren als andere. Bekannt ist zum Beispiel, dass einige Migränepatienten eine erhöhte Sensibilität gegenüber dem biogenen Amin Tyramin aufweisen.2

Streng genommen ist daher der Begriff einer generellen Unverträglichkeit gegen biogene Amine eher irreführend. Es ist zumeist ein Zuviel an Histamin, das die Beschwerden verursacht, die biogenen Amine selbst sind nicht die direkte Ursache, sondern konkurrieren lediglich mit dem Histamin um die verfügbare Abbaukapazität. Darum erhöhen sie auf diesem Wege den Histaminspiegel, der wiederum die eigentlichen Symptome verursacht. Daher gleichen die Symptome der biogenen Amine-Intoleranz auch weitgehend denen der Histaminintoleranz.

Histamin-vermittelte Symptome bei MCAS & HIS: Durchfall, Kopfschmerzen, Blutdruckabfall, Flush
Histamin-vermittelte Symptome bei MCAS & HIS

Symptome der biogenen Amine-Intoleranz

Symptome ähneln Beschwerden bei Histaminintoleranz

Symptome der biogenen Amin-Unverträglichkeit sind zumeist Symptome, die man bei einem Überschuss an Histamin, der bspw. im Rahmen anderer Erkrankungen auftritt, sehen kann. Histamin kann an vielen Stellen im Körper wirken. Daher sind die Symptome der biogenen-Amine-Intoleranz vielfältig aber letztlich denen der Histaminunverträglichkeit sehr ähnlich:

  • Kopfschmerzen
  • Bauchschmerzen und Durchfälle, Blähungen
  • eine laufende Nase, Niesen, Augenjucken und-brennen
  • juckender Ausschlag
  • Atembeschwerden (Asthma), Herzrasen.
  • Regelschmerzen, Flushs (Rotfärbung der Haut)
  • niedriger Blutdruck

können durch ein Zuviel an Histamin auftreten. 2,5 Wie oben erläutert, tritt die biogene Amin-Intoleranz meist im Rahmen einer Histaminintoleranz auf

Warum können biogene Amine bei Histaminintoleranz problematisch sein?

Biogene Amine wie auch Histamin müssen abgebaut werden

Der Abbau biogenen Amine erfolgt, wie in Abbildung 1 dargestellt, über die Enzyme Monoaminoxidase (MAO) und Diaminoxidase (DAO). Da viele biogene Amine über ähnliche Stoffwechselwege abgebaut werden, ist häufig die Menge eines bestimmten Enzyms der limitierende Faktor für die Geschwindigkeit dieses Vorgangs.5 (Im Artikel zu den Ursachen einer Histaminintoleranz wird auf die verschiedenen Abbauwegen von Histamin im Detail eingegangen.)

Wird zum Beispiel die Kapazität des Enzyms Diaminoxidase (DAO) für den Abbau anderer biogene Amine ausgeschöpft, dann steht dieses zum Abbau von Histamin nicht mehr in ausreichendem Maße zur Verfügung. Die Folge ist eine Verstärkung der oben beschriebenen Symptome der Histaminunverträglichkeit.5

Abbau von Histamin und biogenen Aminen
Abbau von Histamin und biogenen Aminen

MAO-Hemmer bei Histamin- oder biogenen Amin-Unverträglichkeit?

Eine Veränderung bzw. Verschlechterung des Abbaus von biogenen Aminen betrifft Menschen mit einer Histaminunverträglichkeit in verstärktem Maße, wenn Medikamente in diese Vorgänge eingreifen. Ein gutes Beispiel sind sogenannte MAO-Hemmer, also Wirkstoffe, die die Monoaminoxidase (MAO) in ihrer Wirkung blockieren.

Diese sind wegen ihrer antidepressiven Wirkung weit verbreitet und die Hemmung der MAO im Gehirn ist auch durchaus die gewünschte Wirkung, da dadurch der Abbau des biogene Amins Serotonin verlangsamt wird. Da diese Hemmung aber nicht nur selektiv das Gehirn, sondern den ganzen Körper betrifft, ist auch der primäre Hauptabbauwegs für biogene Amine blockiert und deren Abbau wird auf den alternativen Weg über die Diaminoxidase (DAO) verlagert.

Um die Verfügbarkeit von DAO konkurrieren sie jedoch mit Histamin. Für den Histaminabbau steht daher weniger DAO zur Verfügung, so dass es zu einem Anstieg des Histaminspiegels kommt, was die bei entsprechend empfindlichen Menschen oben beschriebene Symptome der Histaminunverträglichkeit auslösen oder verstärken kann.5

MAO-Hemmer werden daher von diesen Menschen tendenziell schlecht vertragen und sie können zu einer Verstärkung oder einem Aufreteten von Beschwerden der Histaminunverträglichkeit führen.5

Wo sind biogene Amine enthalten?

Histamin ist besonders in gereiften Nahrungsmitteln enthalten. Nicht wenige histaminreiche Nahrungsmittel enthalten auch viel Tyramin: Insbesondere länger gereifte Käsesorten, Rotwein, Bananen aber auch Himbeeren, die man vielleicht gar nicht als besonders histaminreich einschätzen würde, enthalten größere Mengen Tyramin.

Andere biogene Amine wie Spermin und Spermidin kommen vor allem in Cashewkernen, Birnen, Weizenkeimen und Hülsenfrüchten vor. Das biogene Amin Cadaverin wird durch Darmbakterien gebildet, wenn diese die Aminosäure Lysin abbauen. Putrescin entsteht durch den Abbau der Aminosäure Ornithin. Die beiden letztgenannten finden sich vor allem in Weizenkeimen.2

Unverträglichkeit für biogene Amine entsteht durch die Störung des empfindlichen Gleichgewichts der „richtigen“ Histamin-Menge im Körper

Wie in dem Artikel zur Histaminintoleranz beschrieben, ist Histamin ein von Natur aus im Körper vorkommender Stoff und eine gewisse Menge ist nicht nur normal, sondern lebenswichtig. Normalerweise sorgt der Körper durch die entsprechenden biochemischen Ab- und Umbauvorgänge dafür, dass die passende Menge vorhanden ist.

Es ist also ein empfindliches Gleichgewicht zwischen Zufuhr bzw. Aufbau sowie dem Abbau von Histamin. Überlastet man die Abbauwege durch die Zufuhr von vielen biogenen Aminen, dann führt dies zu einem Anstieg des Histaminspiegels mit den entsprechenden Konsequenzen.

Dies ist der Grund, warum auch viele Speisen, die zwar kein Histamin jedoch andere biogene Amine in größerer Menge enthalten, problematisch sein können.  Eine besondere Rolle spielt noch Tyramin, vor allem bei Migräne-Patienten, die auf dieses biogene Amin besonders sensibel reagieren können.

Tyramin-Unverträglichkeit und die Migräne-Hypothese

Von Migräne betroffene wissen häufig instinktiv, was ihnen gut bekommt und ob, bestimmte Speisen wie Käse, Rotwein aber auch Himbeeren, Avocados oder Bananen für sie als Migräne auslösende bzw. fördernde Faktoren wirken können. Gemeinsam ist diesen Nahrungsmitteln, dass sie reich an einem bestimmten biogenen Amin, dem Tyramin sind.

Die Tyramin-Hypothese zu Migräne-Kopfschmerzen ist schon recht alt und wurde ursprünglich in den 1960er-Jahren entwickelt. Zwar haben placebo-kontrollierte Studien, die den Zusammenhang zwischen Migräne und Tyramin untersucht haben, diesen nicht immer eindeutig nachweisen können, aber auch der Gegenbeweis ist nicht mit hinreichender Sicherheit gelungen. Daher geht man in der Wissenschaft davon aus, dass die Migräne-Tyramin-Hypothese eine gewisse Validität hat.6

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Therapie der biogenen Amine-Intoleranz

Die Eliminationsdiät ist der beste Test und liefert zugleich einen Therapieansatz

Bei der Eliminationsdiät werden über einen Zeitraum von 14 Tagen histaminreiche Nahrungsmittel und die, die sehr reich an anderen biogenen Aminen sind, konsequent vermieden. Führt dies zu einer deutlichen Verbesserung der Symptome, dann kann man von einer Unverträglichkeit gegen Histamin und möglicherweise auch gegen andere biogene Amine ausgehen.

In einem zweiten Schritt sollte danach der Speiseplan Stück für Stück erweitert werden, wobei man zunächst wieder die anderen biogenen Amine essen sollte, auf Histamin selbst aber weiterhin verzichtet. Kommt es dann erneut zu einer Zunahme der Symptome, kann man davon ausgehen, dass auch eine Unverträglichkeit gegen andere biogene Amine vorliegt.

Im Nachgang kann dann vorsichtig ausprobiert werden, welche individuelle Verträglichkeitsgrenze für biogene Amine und insbesondere Histamin gegeben ist. Ein Ernährungstagebuch kann hierbei sehr nützlich sein.5,7

Referenzen

  1. Ernährung bei Histaminintoleranz – FETeV. Fachgesellschaft für Ernährungstherapie und Prävention. Published February 22, 2015. Accessed September 13, 2020. https://fet-ev.eu/histaminintoleranz-ernaehrungstherapie/
  2. Wüthrich B. Kopfweh, Niesattacken und Co. durch biogene Amine. Dermatologie – Praxis. Published online 2011:4-8.
  3. DocCheck Medical Services. Biogenes Amin. DocCheck Flexikon. Accessed September 13, 2020. https://flexikon.doccheck.com/de/Biogenes_Amin
  4. Schwarz C, Stekovic S, Wirth M, et al. Safety and tolerability of spermidine supplementation in mice and older adults with subjective cognitive decline. Aging (Albany NY). 2018;10(1):19-33. doi:10.18632/aging.101354
  5. Maintz L, Novak N. Histamine and histamine intolerance. Am J Clin Nutr. 2007;85(5):1185-1196. doi:10.1093/ajcn/85.5.1185
  6. Kohlenberg RJ. Tyramine sensitivity in dietary migraine: a critical review. Headache. 1982;22(1):30-34. doi:10.1111/j.1526-4610.1982.hed2201030.x
  7. Reese I, Ballmer-Weber B, Beyer K, et al. German guideline for the management of adverse reactions to ingested histamine: Guideline of the German Society for Allergology and Clinical Immunology (DGAKI), the German Society for Pediatric Allergology and Environmental Medicine (GPA), the German Association of Allergologists (AeDA), and the Swiss Society for Allergology and Immunology (SGAI). Allergo J Int. 2017;26(2):72-79. doi:10.1007/s40629-017-0011-5

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Heilpraktikerin in eigener Praxis, Hypnosetherapeutin, Besitzerin eines verrückten Immunsystems mit autoimmunen Spezialeffekten, die sie nach ihrem Studium mit ebensolcher Hingabe medizinische anstatt wirtschaftswissenschaftlicher Abhandlungen wälzen lassen. Wenn ihre Gelenke und Mastzellen es zulassen: begeisterte Heimwerkerin

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